Der Begriff „Defizit“ bezeichnet im normalen Sprachgebrauch einseitig etwas Fehlendes: eine nicht vorhandene Kompetenz, eine Minderleistung, mangelndes Wissen, ein Unvermögen, etwas bestimmtes zu tun usw. Abweichend davon möchten wir die gestalterische Funktion von Defiziten ebenso betonen. Indem jemand etwas nicht kann, nicht weiß oder nicht versteht, beeinflusst er seine sozialen Beziehungen oftmals dahingehend, etwas bestimmtes anderes damit zu erreichen. Was das im Einzelfall genau ist, ist sehr unterschiedlich: es kann konkrete Hilfe sein (was ich selbst nicht kann, macht jemand anders für mich), es kann Aufmerksamkeit sein (wenn ich die Aufgaben nicht alleine löse, setzt sich meine Mutter dazu und erklärt sie mir) oder auch emotionale Zuwendung (wenn ich meine Probleme nicht selbst in den Griff bekomme, brauche ich immer wieder Gespräche und Trost von Freunden; solange ich nicht lerne, mich abzugrenzen und Nein zu sagen, opfere ich mich zwar für andere auf und setze dadurch vielleicht meine Gesundheit aufs Spiel, bekomme aber auch deren Dank und riskiere nicht den Verlust von Freundschaft oder Liebe). Das bedeutet in unserem Zusammenhang, Defizite der Klienten nicht isoliert und nur negativ zu sehen, sondern auch Ausschau danach zu halten, welche Vorteile möglicherweise aus ihnen erwachsen, das heißt welche beziehungsgestaltende Funktion sie haben, und dies in die Arbeit miteinzubeziehen. In diesem Sinne verwenden wir den Begriff „Defizit“ auf der Basis eines systemisch-lösungsorientierten Verständnisses.